Leistenschmerzen und O-Beine bei jungen Fußballspielern

Jugendliche Fußballspieler leiden häufig unter Leistenschmerzen, wenn sie sich in ihrer stärksten Wachstumsphase befinden. Das ist in der Regel im Alter von 13 und 14 Jahren der Fall. Einseitiges Training kann zudem zu O-Beinen führen.

picture

Die Lieblingsübung der meisten Teilnehmer beim Fußball-Check: Ein Radargerät hinter dem Tor misst die Geschwindigkeit des Balles im Anflug.

picture

Auf diesem T-Träger müssen die jungen Spieler 50 Sekunden lang auf nur einem Bein stehen.

picture

Anspruchsvoll: Ein Ball muss mit dem Fuß geführt, der andere mit der Hand geprellt werden.

picture

Vor dem 10-Meter-Rückwärtssprint orientiert sich der Spieler kurz nach hinten.

picture

Ballführung und Geschwindigkeit werden beim Slalom-Dribbling bewertet.

picture

Dr. Oliver Ludwig überprüft beim Fußball-Check, wie gut die Oberschenkel-Muskulatur der jungen Kicker gedehnt ist.

Bei einem speziellen Fußball-Check hat ein Kid-Check-Team bislang rund 500 jugendliche Fußballspieler getestet. Die Untersuchung umfasst mehrere Stationen, an denen die Geschmeidigkeit der Muskulatur, Koordination, Gleichgewicht, Schuss-Stärke und Sprintvermögen getestet werden.

Auf einer der Stationen überprüfen die Experten, ob die Muskulatur der jungen Fußballspieler gut gedehnt ist. Im Einzelnen werden die Hüftbeuger, die das Becken mit den vorderen Oberschenkeln verbinden, Vorder- und Rückseiten der Oberschenkel, die Waden sowie die Adduktoren an den Innenseiten der Oberschenkel auf Verkürzungen überprüft. Verkürzte, also schlecht gedehnte Muskeln, schränken die Bewegungsfreiheit des Sportlers ein. Beim Schuss lässt sich das Bein beispielsweise nicht voll strecken, was sich negativ auf die Schussstärke auswirkt.

Zwei Besonderheiten fallen bei den Tests immer wieder auf. Zum einen ist offensichtlich, dass 14-jährige Fußballspieler körperlich höchst unterschiedlich entwickelt sind. Es gibt Sportler, die körperlich bereits wie 16-Jährige wirken und spielen, aber auch Sportler, die noch wie 12-Jährige erscheinen. Zum anderen klagen bereits 15 Prozent der Jugendlichen über Leisten- und Adduktorenschmerzen. Deutlich häufiger davon betroffen sind die körperlich weiter entwickelten Jugendlichen.

„Das hängt damit zusammen, dass sich Jugendliche um die 14 Jahre in der Phase ihres stärksten Wachstums befinden. In dieser Zeit kommt es durch die Wachstumsschübe häufig zu Muskelverkürzungen und Koordinationsproblemen“, erläutert Dr. Oliver Ludwig, der wissenschaftliche Leiter des Kid-Check. Schmerzen in den Adduktoren und Leisten sind ein ernst zu nehmendes Signal. Die Adduktoren setzen über ihre Sehnen in der Leistengegend an den Knochen der Schambeine an.

Es gibt mehrere mögliche Ursachen für solche Schmerzen: ungleichmäßig ausgebildete und gedehnte Muskeln (sogenannte muskuläre Dysbalancen), ein schief stehendes Becken oder eine Fehlstellung im Hüftgelenk. Vor allem bei Fußballspielern kommt es zu muskulären Dysbalancen, wenn sie häufig mit der Innenseite des Fußes, dem Innenrist, den Ball schießen. Dadurch wird die Muskulatur der Oberschenkel-Innenseite, der Adduktoren, besonders trainiert und ausgeprägt. Da die Muskulatur der Oberschenkel-Außenseite, der Abduktoren, weniger intensiv gekräftigt wird,

entwickelt sich ein Ungleichgewicht.

Da die stärkeren Adduktoren zur Verkürzung neigen, wenn sie nicht regelmäßig gedehnt werden, wirken sie auf den Oberschenkelknochen wie die Sehne auf einen Flitzbogen: Der Knochen wird durch die Sehnen am Ende dieser verkürzten Muskulatur so gespannt, dass er sich allmählich biegt. Die eigentlich gerade Beinachse verformt sich o-förmig.

Der belgische Sportwissenschaftler Erik Witvrouw von der Universität Gent hat mehr als 500 Kinder und Jugendliche untersucht, die intensiv Fußball spielen. Dabei stellte sich heraus, dass bereits 13-jährige Fußballer häufiger O-Beine haben. Zudem bekommen junge Fußballspieler im Vergleich zu Altersgenossen mit anderen Hobbys öfter O-Beine. Bis zum 18. Lebensjahr steigen Häufigkeit und Ausprägung der krummen Beine ständig an.

„Schmerzende Adduktoren und Leisten ließen sich in vielen Fällen vermeiden, wenn die Trainer vor allen in der Altersgruppe der 13- und 14-jährigen Fußballspieler der unterschiedlichen körperlichen Entwicklung Rechnung tragen würden“, meint Oliver Ludwig. „Wachstumsbedingt verkürzte Muskeln müssen intensiver gedehnt werden“, betont der Experte. Beim Training dürfen also die 14-Jährigen nicht über einen Kamm geschoren werden, sondern die Trainer müssen die unterschiedliche körperliche Entwicklung in diesem Alter berücksichtigen.

Leisten- und Adduktorenschmerzen sind häufig Vorboten von Verletzungen und können sogar chronisch werden. Dann ist ans Fußballspielen vorerst nicht mehr zu denken. Oliver Ludwig weiß jedoch, dass Spieler häufig die Schmerzen in den Leisten und Adduktoren verschweigen. Daher sollten die Trainer der Altersgruppen der 13- und 14-Jährigen ein besonderes Augenmerk auf mögliche Beschwerden haben. Das gilt besonders nach einer Trainings- und Spielpause, weil viele Spieler danach ein gutes Stück gewachsen sind. Ein Indiz für Leistenprobleme ist der Schmerz, der schon bei leichtem Druck mit den Fingern auf die Leistengegend auftritt. Beim Anzeichen einer Beschwerde sollten Eltern, Trainer und Betreuer den Spieler in jedem Fall zum Arzt schicken.

Am meisten Spaß haben die jungen Fußballspieler, wenn beim Fußball-Check mit einem Radargerät des Sportwissenschaftlichen Instituts der Universität des Saarlandes ihre Schuss-Geschwindigkeit gemessen wird. Beim bisher besten 14-Jährigen flog der Ball mit einer Geschwindigkeit von 103 km/h in Richtung Tor. Im Durchschnitt kommen 13 und 14 Jahre alten Schützen auf eine Schuss-Geschwindigkeit von rund 80 km/h. Profifußballspieler erreichen Geschwindigkeiten von 140 bis 160 km/h.

Bei einem der Gleichgewichtstest müssen die Jugendlichen auf einem Bein auf einem acht Zentimeter hohen und vier Zentimeter breiten T-Träger stehen. Mannschaften, deren Trainer gezielt die Koordination und das Gleichgewicht seiner Spieler schulen, stehen auf dem schmalen Brettchen mit einem Bein problemlos 50 Sekunden lang, was der vorgegebenen Bestzeit entspricht. Junge Fußballspieler anderer Vereine können sich im Durchschnitt nur zehn Sekunden lang auf dem T-Träger halten.

Bei einem weiteren Test müssen die Jugendlichen auf einer Druckmessplatte erst mit geöffneten, dann mit geschlossenen Augen eine Minute lang stillstehen. Dabei wird die Körperschwankung ermittelt. Diese ist vor allem bei geschlossenen Augen deutlich höher, wenn das Gleichgewicht schlecht trainiert ist.

Zudem stehen beim Fußball-Check ein 200-Meter-Sprint, ein Slalom-Dribbling, ein 10-Meter-Rückwärtssprint sowie als besonders anspruchsvoller Test ein Koordinations-Dribbling auf dem Programm. Bei letztgenannter Übungen muss ein Fußball mit dem Fuß geführt und gleichzeitig ein weiterer Ball mit der Hand auf den Boden geprellt werden. „Überprüft wird hierbei die sogenannte Kopplungsfähigkeit, das heißt die Fähigkeit, zwei Bewegungen mit verschiedenem Rhythmen gleichzeitig durchzuführen“, erläutert Oliver Ludwig.

Auf einen Blick
Leisten- und Adduktorenschmerzen sind häufig Vorboten von Verletzungen und können sogar chronisch werden. Dann ist ans Fußballspielen nicht mehr zu denken. Doch Spieler verschweigen oft die Schmerzen in Leisten und Adduktoren. Daher sollten die Trainer der Altersgruppen der 13- und 14-Jährigen ein besonderes Augenmerk auf mögliche Beschwerden haben. Das gilt vor allem nach einer Trainings- und Spielpause, weil viele Spieler danach ein gutes Stück gewachsen sind. Ein Indiz für Leistenprobleme ist der Schmerz, der schon bei leichtem Druck mit den Fingern auf die Leistengegend auftritt. Beim Anzeichen einer Beschwerde sollten Eltern, Trainer und Betreuer den jungen Spieler in jedem Fall zum Arzt schicken.