Wie Elite-Turnerinnen ihre Bauchmuskeln trainieren
Naomi und Ruby (13) zeigen Übungen aus ihrem Trainingsprogramm

Beim Sport werden die Knochen deutlich belastet. Das ist sogar erwünscht, denn neue Knochensubstanz wird nur aufgebaut, wenn die Knochen regelmäßig beansprucht werden. Am wirksamsten tragen kurze, heftige Stöße, wie sie beispielsweise bei der Landung nach einem Sprung auftreten, zum Knochenaufbau bei. Das gilt in jedem Alter, ist aber nie wieder so wirksam wie in der Kindheit. Laufen und Springen fördern den Knochenaufbau in besonderem Maße. Auch gespannte Muskeln üben über die Sehnen, mit denen sie am Knochen verankert sind, starke Zugkräfte auf die Knochen aus. Diese mechanischen Reize fördern den Knochenaufbau ebenfalls. In einigen Sportarten werden die Knochen besonders beansprucht. Kunstturnen, Rhythmische Sportgymnastik und Skateboardfahren zählen dazu.

Doch was die Knochen stärker macht, kann die Gelenke in Mitleidenschaft ziehen. Glücklicherwiese verhindert eine starke Muskulatur, dass harte Stöße beim Laufen, Springen und Fallen ungefiltert in die Gelenke und Bandscheiben fahren. Beim Laufen zum Beispiel fängt eine gut trainierte Muskulatur bis zu 90 Prozent der Stoßbelastung ab, die beim Aufsetzen des Fußes entsteht. Diese Belastung beträgt das Dreifache des Körpergewichts: bei einem 40 Kilogramm schweren Kind also 120 Kilogramm. Nur zehn Prozent gelangen bis zum Nacken und Kopf, wenn eine gut trainierte Bein- und Rumpfmuskulatur die Stoßwelle abfängt. Sind die Muskeln nicht oder nur wenig trainiert, gelangen bis zu 20 Prozent der Stoßbelastung bis zum Kopfbereich. Das kann die Ursache für Nackenverspannungen und Kopfschmerzen sein.
Deutlich höher als beim Laufen wird die Stoßbelastung bei den akrobatischen Kunststücken, die Kunstturner bei ihren Wettkämpfen präsentieren. Aus diesem Grund legen gute Turntrainer besonderen Wert auf ein regelmäßiges, umfassenden Krafttraining.

Bei einem Besuch im Bundesleistungszentrum der Kunstturnerinnen in Bergisch Gladbach haben die beiden niederländischen Elite-Turnerinnen Naomi und Ruby van Dijk– sie sind Zwillingsschwestern und 13 Jahre alt – einige Übungen für die Bauchmuskeln gezeigt. Es sind anspruchsvolle Übungen, die bereits eine gut trainierte Bauchmuskulatur voraussetzen. Bei diesen Übungen, die ein fester Bestandteil des Turntrainings in der Leistungsklasse sind, werden nicht allein die Bauchmuskeln, sondern auch andere Muskelgruppen beansprucht. Da diese Muskelgruppen miteinander verbunden sind, spricht man von Muskelschlingen.
Bei den gezeigten Bauchkraftübungen sind zwei Muskelschlingen besonders aktiv. Die erste wird gebildet von den Muskeln des Schienbeins, des hinteren Oberschenkels und des Hüftbeugers. In der Fortsetzung kommt noch die Bauchmuskulatur dazu. Zur zweiten Schlinge gehören die Muskeln der Wade, des vorderen Oberschenkels und des Gesäßes. Hier kommt in der Fortsetzung die Rückenmuskulatur dazu.


 

Die 13 Jahre alten Zwillingsschwestern Ruby (links) und Naomi van Dijk sind Elite-Turnerinnen, die in der höchsten deutschen Turnliga, bei nationalen Meisterschaften und internationalen Turnieren antreten.

 

 

Naomi (links) und Ruby in der Trainingshalle.

 

 

Die beiden Mädchen trainieren fast täglich. Weil dabei auch regelmäßig Krafttraining auf dem Programm steht, meistern sie den Spitzwinkelstütz auf dem Schwebebalken ohne Probleme.

 

 

Um diese Brücke gekonnt halten zu können, muss die Muskulatur des gesamtem Körpers fit sein. Bei ungeübten Sportlern zeigen sich am ehesten Schwächen im Schulter- und mittleren Rumpfbereich.

 

 

Solche Übungen für die Bauchmuskeln sind fester Bestandteil des Krafttrainings der beiden Turnerinnen.

 

 

Da bei dieser Übung die Füße fixiert sind, werden beim Absenken des Oberkörpers mehrere Muskelgruppen beansprucht, die eine sogenannte Muskelschlinge bilden. Hier sind es die Muskeln des Schienbeins, des hinteren Oberschenkels, des Hüftbeugers und des Bauches. Obwohl mehrere Muskelgruppen beteiligt sind, beansprucht diese Übung die Bauchmuskulatur am stärksten. Gut trainierte Turner schaffen drei Sätze mit jeweils 20 Wiederholungen.

 

 

Mit gestreckten Armen wird die gleiche Übung spürbar schwerer. Zwar wird hauptsächlich die Bauchmuskulatur trainiert, doch der gesamte Körper ist von den Füßen bis zum Nacken angespannt.

 

 

Ruby hat die Hände aufeinandergelegt, wodurch der Schulterbereich zusätzlich stabilisiert wird und die Schultergelenke fixiert werden. Durch diese Vorspannung wird auch der gesamte Rumpf stabiler.

 

 

Diese Übung ist ähnlich wirksam wie die vorherige. Wiederum werden nicht allein die Bauchmuskeln trainiert, sondern in beträchtlichem Maße auch die Bein- und Hüftbeugemuskeln. Ruby hat die Hände aufeinandergelegt. So wird der Schulter-Nackenbereich vorgespannt, wodurch der Körper insgesamt fester wird. Das ist sinnvoll, weil eine solche Vorspannung auch beim Techniktraining hilfreich ist. Beim internationalen „Pre Olympic Youth Cup“ in Bergisch Gladbach bereitete sich Ruby am Sprungtisch mit komplett vorgespanntem Körper auf ihren Sprung vor.

 

 

Naomi zeigt die gleiche Übung ebenfalls mit gestreckten Armen, die sich allerdings nicht berühren. Dadurch können sich Oberkörper und Arme freier bewegen. Der sogenannte Freiheitsgrad steigt also, was jedoch eher zu Ausweichbewegungen führen kann. Um den Körper dennoch stabil zu halten, erfordert die korrekte Ausführung nicht nur Kraft, sondern auch eine gute Körperbeherrschung (Koordination).

 

 

Diese Übung ist besonders schwierig, da Naomi keine Position einnehmen kann, um sich ein bisschen auszuruhen. Schon in der Ausgangsposition muss die Muskulatur erhebliche Haltearbeit leisten.

 

 

Bei dieser Bauchmuskelübung senkt Naomi den Oberkörper erst langsam ab und rollt ihn beim Anheben nach vorne ein. Gut trainierte Sportler machen drei Sätze mit 15 bis 20 Wiederholungen.

 

 

Die gestreckten Arme führen zu einem längeren Hebel, was die Übung nochmals erschwert.

 

 

Ruby macht die gleiche Übung wie Naomi, hat dabei jedoch die Handflächen nach außen gedreht. So wird die Muskulatur im Schulter-Nackenbereich vorgespannt, wodurch der Körper insgesamt fester wird. Das ist sehr sinnvoll, weil in den Turnwettkämpfen Elemente auftauchen, bei denen eine solche Vorspannung hilfreich ist.

Zum Beispiel zeigen die Turnerinnen auf dem Schwebebalken (auf dem Bild ist Naomi zu sehen) oder der Bodenfläche (hier ist Ruby zu sehen) häufiger Posen, bei denen die Arme nach oben gestreckt und die Handflächen nach außen gedreht sind.

Auch bei einer Tanzvorführung stabilisieren die beiden Turnerinnen mit den nach außen gedrehten Handflächen den Oberkörper.

 

 

Bei dieser Übung in Rückenlage werden die zunächst senkrecht nach oben gestreckten Beine langsam abgesenkt. Der untere Rücken im Bereich der Lendenwirbelsäule soll dabei fest aufliegen. Dazu ist eine starke Bauchmuskulatur erforderlich. Um die Beine zu halten, treten unter anderem die Hüftbeugermuskeln in Aktion. Sie sitzen zwischen Becken und den Oberschenkeln. Die gespannten Hüftbeuger ziehen kräftig am Becken, wodurch es zur Beckenkippung kommt. Der starke Zug würde zu einem ausgeprägten Hohlkreuz führen, wenn Bauch-, Gesäß- und Rückenmuskeln den Kräften der Hüftbeuger nicht entgegenwirkten.

 

 

 

 

 

 


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